Nach dem unfreiwilligen Aufbruch eines jungen Mannes – auf der Flucht vor Neonazis – lernt er Clara kennen, eine Versicherungsmaklerin, die u.a. auch eine Versicherung bei Liebesbruch anbietet. Bald schon geht diese Art derVersicherung als Kuriosum durch die Medien und erzeugt eine enorme Nachfrage – aber nur bei Hausratsversicherungen – nicht bei Liebesbruch. Clara wird wohlhabend und will mehr, immer mehr. Es ist eine Geschichte in unserer Zeit der monetären Glücksversprechungen. Am Ende wird eine einzige Liebesbruch-Versicherung fällig: ihre eigene. Die Neonazis aber nehmen sich den Vater des jungen Mannes vor, einen Uhrmacher, der Angst um sein Geschäft hat und sich immer weiter zu den Braunen hinziehen lässt.
Der Roman spricht ein aktuelles Thema an: die unersättliche Geld- und Besitzgier und ihre zerstörerische Wirkung auf die menschlichen Beziehungen.
Textauszug
Um einen erfolgreichen
Tag zu erleben, sagte ich mir, musst du einen erfolgreichen Tag erwarten. Nun,
versuchen wollte ich es. Gezielt langsam lief ich am Hadelner Kanal entlang,
ließ dabei jeden Schritt nachfedern. Es war also nicht dem Zufall zuzuschreiben,
dass Lina mich noch vor der Brücke einholte. Sie fuhr bald in Schlangenlinie
neben mir her. Konnte es denn so schwer sein, sie für mich zu interessieren?
Die äußeren Umstände waren günstig, die Sonne ließ ihr Spiegelbild auf den
Windwellen des Kanals surfen. Doch mir fielen nur die Weisheiten längst vergangener
Größen ein. All you need is love, vom
Frontmann der legendären Beatles. Und: Liebe
ist, dass Du mir das Messer bist, mit
dem ich in mir wühle, vom traurigen Franz, Kafka eben.
Gut, dass ich dich noch erreiche!, rief Lina und schaltete in den niedrigsten Gang ihres Fahrrads. Also weißt du, was ich einfach nicht kapiere, sagte sie: Wenn die Zeit rückwärts läuft, ja? Ihr Blick machte jetzt einen Sprung, nicht auf mich zu, aber doch nahebei. Muss es dann nicht auch eine vom Bewusstsein unabhängige Realität geben?
Endlich hielt sie einmal die Beine still. Ihr Tattoo, ein Salamander an ihrem Oberschenkel, verharrte kurz vor dem Rocksaum.
Die Wirklichkeit lässt sich nicht täuschen!, hörte ich mich antworten.
Wovon redete ich? Und wovon redete sie?
Nun - ja: Quantenmechanik. Damit hatte PPP, Paul Patzke, Physik, begonnen, uns in die Welt der rätselhaften subatomaren Dimensionen einzuführen. Das sei nicht das Ende aller Theorien verkündete PPP, denn es gebe keine letztendliche Erklärung. Und werde es auch nie geben. Nur würden die Theorien immer bizarrer, weil die Welt bizarr sei.
Ich sah Lina an, schön war die Welt. Und auch ihr Blick, der meinem nun standhielt, bis sie begann, mich mit ihrem Fahrrad zu umkreisen. Ich sah, wie der schwarzblau gestichelte Salamander ihr unter den Rock kroch und immer schneller werdend rückwärts wieder hervorkam.
Wir könnten uns in der Hölle treffen, schlug ich vor. Morgen Abend, bei Heavy Metall Reinforced mit den Red Hot Chilli Peppers. Lina fuhr noch zwei, drei Mal um mich herum. Was suchte sie nur? Plötzlich scherte sie aus, winkte mir zu, ohne sich dabei umzusehen, also eigentlich ganz im Vertrauen darauf, dass ich ihr nachsehen würde. Schon bog sie links über die Kanalbrücke ab.
Um einen friedlichen Tag zu erleben, musst du einen friedlichen Tag erwarten, sagte ich kaum hörbar, als ich in die Bürgermeister-Strathmann-Allee einbog. Hinter der Gärtnerei – Lina ging mir nicht aus dem Kopf – kam ein Kerl auf mich zu. Blieb stehen als wolle er nach dem Weg fragen oder auch, ob die Menschheit noch zu retten sei. Plötzlich trat er nach mir. Schrie dabei wie ein Neonazi, rotzte aus wie ein Neonazi, war ein Neonazi, der sich auf empfindliche Weise durch mein Dasein bedroht fühlte. Immer wieder trat er zu und berief sich dabei auf seinen Führer. Von hinten packte mich sein Kamerad, den hatte ich nicht kommen sehen, und rammte mir sein Knie ins Steißbein.
Nimm das Ding da weg!, riefen sie und wiesen auf den Sticker an meiner Jacke. Ein Roter Riese, knapp ein Zentimeter im Durchmesser. Den gab es im Hamburger Planetarium, wo uns PPP hingeführt hatte, um uns die Entwicklung unseres Sonnensystems anschaulich zu machen. Eine explodierende Sonne, ließen die Nazis mich noch sagen. Eine Zukunft, die auch unserem Stern ereilen wird. Dieses Schicksal hatte wohl keiner der beiden erwartet. Der Kerl vor mir war untröstlich und schlug zu.
Weg mit dem Ding! Wird’s bald! Du Rotsau, du! Sag, dass du eine Zecke bist!, grölte mir ein Obersturmbann-Typ von hinten aufs Trommelfell. Er schlug mir gegen die Schläfen, immer wieder und wollte nicht aufhören damit. Zecke! Zecke! Eins-zwei-drei!, riefen sie bei jedem Schlag. Bald lief es mir warm übers rechte Auge wie früher, als mir Mutter Kamillenteesud auf mein Ekzem an der Stirn träufelte.
Da-Da-Da!, schrien sie und stießen ihre Finger in die Wunde: Zeckenrotes Kommunistenblut!
Der Beweis war erbracht.
Du nimmst jetzt sofort das Ding da weg!, rief der Obersturmbann und hielt mir von hinten beide Arme fest. Dieser Tonfall, fies und falsch ins Ohr gezischt, nahm mir den letzten Funken Hoffnung.
Nun zeig uns mal deine Marx – und Engelszunge!
Eine nie gekannte Schwere zog an meinen Beinen.
Wird’s bald!
Der Nazi riss mir den Sticker von der Jacke.
Zunge raus, Rotsau!
Ich gehorchte, wie man dem ewigen Despoten gehorcht, zeigte ihm die Zunge.
Da ist noch viel Platz!
Er ließ die Spitze meines Stickers auf seinen Daumennagel tippen. Immer noch einmal, so als stauche er sich in schönster Vorfreude den Tabak einer selbstgedrehten Virginia zurecht. Ich sagte noch etwas über Zufall und Finsternis. Was einer so sagt, wenn er nicht mehr weiß, was er so sagt und ihm die Angst das Gesicht verbeult.
Die Welt ist Hölle.
Vielleicht haben sie doch aus der Geschichte gelernt, hoffte ich. Hatten sie wohl auch, auf ihre Art.
Maul auf!
Ich biss die Zähne zusammen.
Der Neonazi griff kurzerhand nach einem Gärtnerspaten und schlug ihn mir in die Hüfte. Im Präsentiertakt rammten sie mir den Spaten in die Seiten, mit Schwung und immer im Wechsel weit ausholend, um sich Stück für Stück bis an mein Innerstes durchzuschlagen.
Links, rechts! Links, rechts! Augen zu! Zunge raus! Links, rechts...! Ein Schlag folgte dem anderen.
Auch der Obersturmbann wollte seinen Anteil am Zecken-Breitklopfen haben. Als der zum Spaten griff, gelang es mir, mich loszureißen. Ich rannte Richtung Marktplatz. Die Schritte hinter mir schlugen das Pflaster. Die Neonazis trieben mich zum Äußersten. Schon bald, nahe der Erlenstraße, hörte ich einen von ihnen herankeuchen; die Wut dampfte ihm aus dem Rachen. Ich sah den Schulbus kommen. Warum gerade der Schulbus?, ging es mir durch den Kopf. Ein kurzer harter Schlenker, keine Zehntelsekunde zu früh oder zu spät – darüber nachdenken darf man erst hinterher – und ich rannte über die Straße.
Mir gelang es durch ein Befreiungsmanöver des letzten Augenblicks, dem Schulbus auszuweichen.
Viel Zeit blieb nun nicht mehr. Zu Hause angekommen, verabschiedete ich mich von Mutter und Vater nach achtzehnjährigem Zusammenleben. Sagte meiner kleinen Schwester Amelie, sie brauche keine Angst zu haben, es gebe jetzt einen bösen Onkel weniger. Nur sicher war ich mir nicht, liefen doch die Neonazis manchmal schon rottenweise in Grootpoov herum.
Junge!, sagte Vater, du bringst uns hier alle in Verlegenheit. Wasch dir erst mal das Blut aus dem Gesicht!
Mutter schlug die Hände vor die Brust. Auf ihren Wangen wechselten in schneller Folge die Farben. Dann begann sie Brote zu streichen.
Ich geb dir die Keksdose mit!
Sie schnitt dicke Scheiben Käse vom Dithmarscher ab. Legte auch den Schinken doppelt.
Dass es soweit kommen musste, sagte Vater. Sein rechtes Uhrmacheraugenlid konnte die Höhe nicht halten. Mutter blickte auf meine Wunde. Sie stand wieder auf, tupfte mir die Schläfe trocken, stöhnte, wenn ich zusammenzuckte. Sie wies Amelie an, doch wieder mit ihrer Barbi im Garten zu spielen. Es werde alles gut.
Dieser Vorfall wird uns noch zu schaffen machen, meinte Vater.
Es hätte auch ganz anders kommen können, antwortete Mutter. Nur vergiss bloß deinen Ausweis nicht, Thees! Wo willst du denn überhaupt hin?
Zu ... nun-nja, Julien! Alter Kumpel vom Jugendkutter, wohnt jetzt in Otterndorf.
Mutter legte zwei Tomaten mehr in die Dose, noch ein langes Mettwurstende kam dazu, dann packte sie alles mit zwei über Kreuz gelegten Gummibändern in meine Sporttasche. Martinshörner lärmten vom Marktplatz her wild durcheinander wie die Hunde am Beginn einer Treibjagd.
Mutter wischte ein paar Krümel von ihrer Bluse, richtete mit fahrigen Handgriffen ihr Haar zurecht, stand dann vor mir mit großen Augen, die mir so noch nie aufgefallen waren. Ach-ja!, sagte sie mehr zu sich selbst. Dann schrieb sie mir vor der Anrichte stehend ein Rezept gegen Heimweh aus.
Wenn’s ganz dicke kommt, Thees. Dann hilft es!
Sie legte ihren Arm um meine Schulter und zog mich an sich. Vater gab mir zögernd die Hand und mit der anderen einen Taschenchronometer mit Weltzeitskala aus seiner Uhrmacherwerkstatt.
Wer weiß?, sagte er.
Ich-ichh-ichhh!, meldete sich meine kleine Schwester. Sie klammerte sich an mein Bein, wollte mit mir auf Reisen gehen und immer bei mir bleiben. Bis zur Gartenpforte begleitete sie mich. Dort spielten wir einmal noch: Kinder-in-den-Himmel-werfen.
Und wieder auffangen.
Gut, dass ich dich noch erreiche!, rief Lina und schaltete in den niedrigsten Gang ihres Fahrrads. Also weißt du, was ich einfach nicht kapiere, sagte sie: Wenn die Zeit rückwärts läuft, ja? Ihr Blick machte jetzt einen Sprung, nicht auf mich zu, aber doch nahebei. Muss es dann nicht auch eine vom Bewusstsein unabhängige Realität geben?
Endlich hielt sie einmal die Beine still. Ihr Tattoo, ein Salamander an ihrem Oberschenkel, verharrte kurz vor dem Rocksaum.
Die Wirklichkeit lässt sich nicht täuschen!, hörte ich mich antworten.
Wovon redete ich? Und wovon redete sie?
Nun - ja: Quantenmechanik. Damit hatte PPP, Paul Patzke, Physik, begonnen, uns in die Welt der rätselhaften subatomaren Dimensionen einzuführen. Das sei nicht das Ende aller Theorien verkündete PPP, denn es gebe keine letztendliche Erklärung. Und werde es auch nie geben. Nur würden die Theorien immer bizarrer, weil die Welt bizarr sei.
Ich sah Lina an, schön war die Welt. Und auch ihr Blick, der meinem nun standhielt, bis sie begann, mich mit ihrem Fahrrad zu umkreisen. Ich sah, wie der schwarzblau gestichelte Salamander ihr unter den Rock kroch und immer schneller werdend rückwärts wieder hervorkam.
Wir könnten uns in der Hölle treffen, schlug ich vor. Morgen Abend, bei Heavy Metall Reinforced mit den Red Hot Chilli Peppers. Lina fuhr noch zwei, drei Mal um mich herum. Was suchte sie nur? Plötzlich scherte sie aus, winkte mir zu, ohne sich dabei umzusehen, also eigentlich ganz im Vertrauen darauf, dass ich ihr nachsehen würde. Schon bog sie links über die Kanalbrücke ab.
Um einen friedlichen Tag zu erleben, musst du einen friedlichen Tag erwarten, sagte ich kaum hörbar, als ich in die Bürgermeister-Strathmann-Allee einbog. Hinter der Gärtnerei – Lina ging mir nicht aus dem Kopf – kam ein Kerl auf mich zu. Blieb stehen als wolle er nach dem Weg fragen oder auch, ob die Menschheit noch zu retten sei. Plötzlich trat er nach mir. Schrie dabei wie ein Neonazi, rotzte aus wie ein Neonazi, war ein Neonazi, der sich auf empfindliche Weise durch mein Dasein bedroht fühlte. Immer wieder trat er zu und berief sich dabei auf seinen Führer. Von hinten packte mich sein Kamerad, den hatte ich nicht kommen sehen, und rammte mir sein Knie ins Steißbein.
Nimm das Ding da weg!, riefen sie und wiesen auf den Sticker an meiner Jacke. Ein Roter Riese, knapp ein Zentimeter im Durchmesser. Den gab es im Hamburger Planetarium, wo uns PPP hingeführt hatte, um uns die Entwicklung unseres Sonnensystems anschaulich zu machen. Eine explodierende Sonne, ließen die Nazis mich noch sagen. Eine Zukunft, die auch unserem Stern ereilen wird. Dieses Schicksal hatte wohl keiner der beiden erwartet. Der Kerl vor mir war untröstlich und schlug zu.
Weg mit dem Ding! Wird’s bald! Du Rotsau, du! Sag, dass du eine Zecke bist!, grölte mir ein Obersturmbann-Typ von hinten aufs Trommelfell. Er schlug mir gegen die Schläfen, immer wieder und wollte nicht aufhören damit. Zecke! Zecke! Eins-zwei-drei!, riefen sie bei jedem Schlag. Bald lief es mir warm übers rechte Auge wie früher, als mir Mutter Kamillenteesud auf mein Ekzem an der Stirn träufelte.
Da-Da-Da!, schrien sie und stießen ihre Finger in die Wunde: Zeckenrotes Kommunistenblut!
Der Beweis war erbracht.
Du nimmst jetzt sofort das Ding da weg!, rief der Obersturmbann und hielt mir von hinten beide Arme fest. Dieser Tonfall, fies und falsch ins Ohr gezischt, nahm mir den letzten Funken Hoffnung.
Nun zeig uns mal deine Marx – und Engelszunge!
Eine nie gekannte Schwere zog an meinen Beinen.
Wird’s bald!
Der Nazi riss mir den Sticker von der Jacke.
Zunge raus, Rotsau!
Ich gehorchte, wie man dem ewigen Despoten gehorcht, zeigte ihm die Zunge.
Da ist noch viel Platz!
Er ließ die Spitze meines Stickers auf seinen Daumennagel tippen. Immer noch einmal, so als stauche er sich in schönster Vorfreude den Tabak einer selbstgedrehten Virginia zurecht. Ich sagte noch etwas über Zufall und Finsternis. Was einer so sagt, wenn er nicht mehr weiß, was er so sagt und ihm die Angst das Gesicht verbeult.
Die Welt ist Hölle.
Vielleicht haben sie doch aus der Geschichte gelernt, hoffte ich. Hatten sie wohl auch, auf ihre Art.
Maul auf!
Ich biss die Zähne zusammen.
Der Neonazi griff kurzerhand nach einem Gärtnerspaten und schlug ihn mir in die Hüfte. Im Präsentiertakt rammten sie mir den Spaten in die Seiten, mit Schwung und immer im Wechsel weit ausholend, um sich Stück für Stück bis an mein Innerstes durchzuschlagen.
Links, rechts! Links, rechts! Augen zu! Zunge raus! Links, rechts...! Ein Schlag folgte dem anderen.
Auch der Obersturmbann wollte seinen Anteil am Zecken-Breitklopfen haben. Als der zum Spaten griff, gelang es mir, mich loszureißen. Ich rannte Richtung Marktplatz. Die Schritte hinter mir schlugen das Pflaster. Die Neonazis trieben mich zum Äußersten. Schon bald, nahe der Erlenstraße, hörte ich einen von ihnen herankeuchen; die Wut dampfte ihm aus dem Rachen. Ich sah den Schulbus kommen. Warum gerade der Schulbus?, ging es mir durch den Kopf. Ein kurzer harter Schlenker, keine Zehntelsekunde zu früh oder zu spät – darüber nachdenken darf man erst hinterher – und ich rannte über die Straße.
Mir gelang es durch ein Befreiungsmanöver des letzten Augenblicks, dem Schulbus auszuweichen.
Viel Zeit blieb nun nicht mehr. Zu Hause angekommen, verabschiedete ich mich von Mutter und Vater nach achtzehnjährigem Zusammenleben. Sagte meiner kleinen Schwester Amelie, sie brauche keine Angst zu haben, es gebe jetzt einen bösen Onkel weniger. Nur sicher war ich mir nicht, liefen doch die Neonazis manchmal schon rottenweise in Grootpoov herum.
Junge!, sagte Vater, du bringst uns hier alle in Verlegenheit. Wasch dir erst mal das Blut aus dem Gesicht!
Mutter schlug die Hände vor die Brust. Auf ihren Wangen wechselten in schneller Folge die Farben. Dann begann sie Brote zu streichen.
Ich geb dir die Keksdose mit!
Sie schnitt dicke Scheiben Käse vom Dithmarscher ab. Legte auch den Schinken doppelt.
Dass es soweit kommen musste, sagte Vater. Sein rechtes Uhrmacheraugenlid konnte die Höhe nicht halten. Mutter blickte auf meine Wunde. Sie stand wieder auf, tupfte mir die Schläfe trocken, stöhnte, wenn ich zusammenzuckte. Sie wies Amelie an, doch wieder mit ihrer Barbi im Garten zu spielen. Es werde alles gut.
Dieser Vorfall wird uns noch zu schaffen machen, meinte Vater.
Es hätte auch ganz anders kommen können, antwortete Mutter. Nur vergiss bloß deinen Ausweis nicht, Thees! Wo willst du denn überhaupt hin?
Zu ... nun-nja, Julien! Alter Kumpel vom Jugendkutter, wohnt jetzt in Otterndorf.
Mutter legte zwei Tomaten mehr in die Dose, noch ein langes Mettwurstende kam dazu, dann packte sie alles mit zwei über Kreuz gelegten Gummibändern in meine Sporttasche. Martinshörner lärmten vom Marktplatz her wild durcheinander wie die Hunde am Beginn einer Treibjagd.
Mutter wischte ein paar Krümel von ihrer Bluse, richtete mit fahrigen Handgriffen ihr Haar zurecht, stand dann vor mir mit großen Augen, die mir so noch nie aufgefallen waren. Ach-ja!, sagte sie mehr zu sich selbst. Dann schrieb sie mir vor der Anrichte stehend ein Rezept gegen Heimweh aus.
Wenn’s ganz dicke kommt, Thees. Dann hilft es!
Sie legte ihren Arm um meine Schulter und zog mich an sich. Vater gab mir zögernd die Hand und mit der anderen einen Taschenchronometer mit Weltzeitskala aus seiner Uhrmacherwerkstatt.
Wer weiß?, sagte er.
Ich-ichh-ichhh!, meldete sich meine kleine Schwester. Sie klammerte sich an mein Bein, wollte mit mir auf Reisen gehen und immer bei mir bleiben. Bis zur Gartenpforte begleitete sie mich. Dort spielten wir einmal noch: Kinder-in-den-Himmel-werfen.
Und wieder auffangen.